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Pessimismus vs. Optimismus - Die richtige Art des Denkens

Im letzten Jahrhundert entdeckte der Mensch, dass er Einfluss auf seine Lebensumstände hat, wenn er seine Art des Denkens verändert. Dies war Ende des 19. Jahrhunderts eine große Veränderung, da die meisten Menschen davon ausgegangen sind, dass sie keinerlei Einfluss auf ihre Lebensumstände haben. 1923 veröffentlichte der Psychologe Charles Baudouin das Buch "Die Macht in uns" und sprach von einer großen Offenbarung, die gleichzusetzen ist mit der Erfindung der Glühbirne. Heute gilt dieses Wissen rundum das Denken als selbstverständlich und in den letzten 100 Jahren sind tausende Bücher über dieses Thema verfasst worden. 

 

In den 60ern veröffentlichte Norman Vincent Peal das Buch "Die Kraft des positiven Denkens" und auch Joseph Murphys Werk "Die Macht des Unterbewusstseins" propagierte das positive Denken. Mit positivem Denken ist eine Denkweise gemeint, die versucht durch Optimismus die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung zu erhöhen. 

 

Die Grundaussage lautete: Nur durch positives Denken kann der Mensch seine Ziele und Träume erreichen. Negatives Denken sollte vermieden werden. Der Mensch muss sich selbst erziehen. 

 

Bis heute wird die Flagge des positiven Denkens hoch gehalten und zig Coaches und Speeker propagieren ungefragt die damaligen unüberprüften Thesen als wäre es der Heilige Gral. 

 

Doch in den letzten 20 Jahren hat sich ein Wandel gezeigt. Der Stoizismus kam wieder mehr in Mode und u.a. lehrten die Stoiker das negative (proaktive) Visualisieren. Bei dieser Art des Denkens bzw. Visualisierens konfrontiert man sich willentlich mit den Problemen und schlimmsten Fällen, die als Hindernisse auf dem Weg zur Zielerreichung eintreffen könnten. Stoiker nutzten also eine Art von Pessimismus, um sich auf eventuelle Hindernisse oder das Scheitern vorzubereiten. Der Vorteil war, dass sie dadurch bereits Vorkehrungen treffen konnten und so frühzeitig wussten, wie sie mit diesen Situationen umzugehen haben. 

 

Doch damit war der Wandel nicht abgeschlossen. Die renommierte Psychologin Julie Norem veröffentlichte 2001 ihr Werk "Die Kraft des negativen Denkens". Nach unzähligen Studien, die Julie Norem ausführte, war sie nicht mehr der Überzeugung, dass das positive Denken der einzige und alternativlose Weg sei, damit man seine Ziele im Leben erreicht. Ihre Untersuchungen ergaben, dass ebenso das negative Denken - pessimistisches Denken - gleichwertige Ergebnisse bringen kann. 

 

Nach ihrer Meinung ist es nicht förderlich, wenn wir eine Denkweise als den Heiligen Gral verallgemeinern. Sowie meine Schuhe nicht meinem Nachbarn passen, wird auch meine Denkweise anders sein. Schaut man sich in den vielen Foren zum positiven Denken um, fällt einem zügig auf, dass mehr Menschen mit dem Zwang des Optimismus kämpfen, als dass sie die erwünschten Ergebnisse erzielen. Langfristig lässt sich sogar erkennen, dass viele Anwender das Gefühl haben, sich von der Erreichung ihrer Ziele wegbewegt zu haben, obwohl sie sich über Jahre hinweg zum positiven Denken erziehen.

 

Bedeutet es, dass das positive Denken nicht funktioniert? Nein. Dieser Artikel verfolgt nicht diese Intention und macht den gleichen Fehler, wie viele Autoren es bereits getan haben. 

 

Weitere Untersuchungen auf diesem Themengebiet kamen zu der Erkenntnis, dass weder das negative noch das positive Denken zu den erwünschten Ergebnissen führt, wenn es erzwungen wird. Eine Unterbrechung des eher pessimistischen Denkens durch Optimismus erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man sein Ziel nicht erreicht. Dies wurde jedoch auch im umgekehrten Fall beobachtet; eine Unterbrechung des eher optimistischen Denkens durch Pessimismus erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass man sein Ziel nicht erreicht. 

 

Dies lässt folgende Vermutung entstehen: Es gibt nicht DIE ART des Denkens, die große Vorteile verspricht. Eventuell ist gerade DIE DENKART, die wir auf natürliche Weise in einem Augenblick nutzen, die vorteilhafteste Art des Denkens. Der Glaube, dass diese Aussage unwahr ist, bringt uns erst in die Situation der Notwendigkeit, unsere natürliche Art des Denkens zu unterbrechen und zu ersetzen - und führt uns geradewegs in die entgegengesetzte Richtung. 

 

Durchaus finden wir hier auch wieder eine Bestätigung des ironischen Prozesses. Mühevolle Anstrengung in Form eines Müssens und Sollens setzt das Gesetz des entgegengesetzten Aufwandes in Kraft und wir erhalten schlussendlich das Gegenteil dessen, was wir erreichen wollten. 

 

Warum glaubt der Mensch, dass er nicht von Natur aus die richtige und bestmögliche Art des Denkens nutzt, um seine Ziele zu erreichen? Warum glaubt er nicht, dass ebenso das negative Denken seine Daseinsberechtigung hat. Ein Unternehmer der an die Möglichkeit einer globalen Finanzkrise denkt, könnte Vorkehrungen treffen, damit die Auswirkungen minimiert werden. Ein Mensch, der sich Gedanken der Krankheit erlaubt, könnte Vorsorgetermine bei seinem Arzt vereinbaren, um frühzeitig den Ausbruch einer Krankheit zu vermeiden. 

 

Negatives Denken ist zur Zielerreichung genauso zuträglich wie das positive Denken. Die Frage ist also, ob es überhaupt ein negatives Denken gibt? Nennen wir es doch einfach pessimistisches Denken und dies ist ein Teil unserer gesamten Denkmöglichkeiten. Warum vertrauen wir nicht darauf, dass wir jederzeit die bestmögliche Denkart nutzen, um zukünftig unser allgemeines Wohlbefinden zu steigern, was sich dann in einer Verbesserung unserer Lebensumstände niederschlagen kann? 

 

In der Psychologie spricht man vom sogenannten "Negative Bias". Dies bedeutet, dass der Mensch tendenziell eher negativ denkt. Neville Goddard sagte in den frühen 70ern, dass er es selbst nach fast 40 Jahren nicht geschafft hat, gänzlich jegliches negative Selbstgespräch zu eliminieren. Die Frage ist, ob dies überhaupt notwendig ist. 

 

Wie wäre es, wenn Du Dich mit der Gesamtheit Deines Denkens aussöhnst und Dich von den vielen sozialen Konditionierungen (Annahmen) löst, die Dir lediglich suggerieren, dass Du bestenfalls immer positiv denken musst? 

 

Wie wäre es, wenn Du Dir wieder erlaubst, so zu denken, wie Du eben denkst - mal pessimistisch, mal optimistisch und mal neutral. 

 

Die ganzen sozialen Konditionierungen bzgl. des positiven Denkens haben zu einer chronischen Angst vor dem eigenen Denken geführt. Eine ständige zwanghafte Selbstbeobachtung ist die Folge. Lösen wir die künstlichen Fesseln unseres Denkens.

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Kommentare: 3
  • #1

    Anne (Donnerstag, 28 Januar 2021 11:28)

    Hallo Kevin, du bringst mich immer ein Stück weiter. Vielen Dank dafür!

  • #2

    Kirsten Weigert (Donnerstag, 28 Januar 2021 11:37)

    Hallo Kevin,
    hier wurde das Hoerbuch angeboten, welches ich gern haette. Als ich es bestellen wollte, wurde mir nur geschrieben, dass ich meine Einstellungen aendern soll... was ich dann getan habe. Nur leider weiss ich nun nicht, wie ich an das Hoerbuch kommen kann.

    Liebe Gruesse
    Kirsten

  • #3

    monika (Samstag, 06 Februar 2021 09:17)

    ich habe das Hörbuch auch nicht gefunden, wo ich es herunterladen kann. Danke für eine Antwort!
    Herzliche Grüsse, Monika